Die westlichen Werte – Demokratie, freier Marktkapitalismus, internationales Recht – schmelzen dahin wie Eis in der Sommersonne, und die Medien stellen diesen Niedergang als apokalyptisch dar, als stünde die Menschheit selbst am Rande der Auslöschung. Doch es ist nicht das erste Mal, dass die Menschheit vor einem historischen Zusammenbruch steht.

Das alte Ägypten, das Millionen Menschen versklavte und Pyramiden baute, die noch heute stehen, verschwand – und doch lebten die Menschen weiter und entwickelten sich weiter. Das Römische Reich, das sich einst bis an die Grenzen Britanniens erstreckte, zerfiel schließlich – und wieder passten sich die Menschen an. Während der Pest in Europa wurden 60 % der Bevölkerung ausgelöscht, und dennoch überlebte die Menschheit.

Nichts bleibt, wie es ist – politische Systeme, Religionen, soziale Strukturen, Wirtschaftsmodelle. Dieser Kreislauf setzt sich auch in unserer Zeit fort. Ein Beispiel: Das größte Geschäft der Welt, Macy’s in New York City, soll nächstes Jahr schließen. Dies ist ein Symbol für einen umfassenderen Wandel: Die durchschnittliche Lebensdauer eines Unternehmens in den USA ist dramatisch gesunken – von 67 Jahren in den 1920er Jahren auf nur noch 15 bis 20 Jahre im Jahr 2023 –, was auf Übernahmen, technologische Umbrüche und ein sich schnell veränderndes Geschäftsumfeld zurückzuführen ist.

Aber während Institutionen und Systeme verschwinden, bleibt die Menschheit bestehen.

Uns wurde beigebracht, Menschen als zerbrechliche, passive Konsumenten zu betrachten, die durch große Veränderungen leicht traumatisiert werden. Aber vielleicht ist das Gegenteil der Fall. Heute scheinen viele wacher zu sein, weniger verführt von den hohlen Versprechungen eines Systems, das auf Reichtum und Überfluss fixiert ist. Immer mehr Menschen erkennen, dass der amerikanische Traum zerbrochen ist – mehr Illusion als Realität – und dass diese Regierung, wie alle vor ihr, wieder verschwinden wird.

Sind die Menschen tatsächlich besonnener geworden? Leben sie in gerade so viel Unsicherheit, dass sie wachsam und aufmerksam bleiben – und darauf achten, keine Fehler zu machen, die sie in noch größere Schwierigkeiten bringen könnten?

Diese stille Resilienz zeigt sich immer deutlicher. Nehmen wir zum Beispiel die Kundgebung vor der New York Public Library am 19. April, die Teil einer landesweiten Anti-Trump-Aktion war. Sie spiegelte eine wachsende Bewegung wider, die nicht von Radikalismus oder persönlicher Dämonisierung angetrieben wird, sondern von einem beharrlichen Streben nach Fairness, Solidarität und Gerechtigkeit. Angesichts der umfassenden rechten Initiativen der Regierung könnten öffentliche Demonstrationen wie diese zu einer wichtigen Kraft des Widerstands werden – ein Beweis dafür, dass Menschen sich an veränderte Umstände anpassen können und dies auch tun.

Heute gibt es keine Garantien mehr. Alles muss gepflegt werden – bewusst, gezielt und gemeinsam.

Eine andere Art der Macht

Kein System repräsentiert sein Volk vollständig. Jeder Mensch trägt eine Verantwortung, die nicht ausgelagert werden kann. Jede menschliche Handlung hat Konsequenzen; jede Handlung prägt die Welt auf irgendeine Weise.

Vielleicht beginnen wir zu verstehen, dass Demokratie nicht etwas ist, das uns widerfährt – sondern etwas, das wir tun. Kein repräsentatives Ideal, sondern eine tägliche Praxis der Teilhabe.

Menschen sind beständig. Sie sind unaufhaltsam. Seit Millionen von Jahren hat sich die Menschheit angepasst, verändert und neue Realitäten geschaffen, um den Herausforderungen ihrer Zeit zu begegnen. Alles, was wir heute sehen, ist das Ergebnis kollektiver Anstrengungen und Absichten – Generation für Generation, gemeinsam, um die Geschichte zu gestalten.

Das höchste Ziel ist nicht Herrschaft oder Kontrolle. Es ist die Vertiefung unseres Bewusstseins – unserer Verbundenheit, unseres gemeinsamen Projekts und unserer Liebe zueinander.

 

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Angela Becker vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!